DGK-Gesundheitskolumne: Wieviel Wasser braucht der Mensch?

(dgk) Immer ist „sie“ dabei, bei Seminaren, Vorträgen, Freizeitaktivitäten und bei Sportkursen sowieso: die Flasche mit Wasser, Limonade oder isotonischen Getränken. Überall und in kleinen Abständen, so suggerieren Gesundheitsexperten, muss getrunken werden, um gesund zu bleiben, zu „entschlacken“, abzunehmen oder nicht innerlich zu vertrocknen oder vorzeitig zu altern. Keine Frage: Die Deutschen hängen an der Flasche.

Das war bei weitem nicht immer so. Die meiste Zeit seiner Existenz trank der Mensch dann, wenn er Durst hatte – und wenn überhaupt etwas zur Verfügung stand. Erst in den letzten 20 Jahren verbreitete sich die Annahme, dass für einen optimal funktionierenden Organismus eine forcierte Flüssigkeitszufuhr erforderlich sei. Wer gesund bleiben will, müsse sich also regelrecht bemühen, viel zu trinken. Doch gibt es überhaupt wissenschaftlichen Daten, die Vorteile einer gesteigerten Flüssigkeitszufuhr nahelegen?

Prof. Dr. med. Ernst-H. Scheuermann vom KfH-Nierenzentrum in Frankfurt ist dieser Frage nachgegangen. In seinem in einer urologischen Fachzeitschrift veröffentlichtem Artikel beleuchtet er die verschiedensten Aspekte.

Er widerspricht einigen der gängigsten Vorstellungen. So z. B. die Ansicht, durch viel Trinken den Körper entschlacken zu können: Dies lasse sich wissenschaftlich gar nicht belegen. Lediglich in Ausnahmefällen ist es sinnvoll, durch vermehrtes Trinken die Urinproduktion zu steigern, etwa um nierenbelastende Medikamente oder Kontrastmittel auszuscheiden.

Auch beim Abspecken hilft viel Wassertrinken nicht wirklich: So kann das Trinken von Wasser vor einer Mahlzeit zwar kurzzeitig das Sättigungsgefühl steigern – es gibt aber keine Studie, die klar erkennen lässt, dass diese Maßnahme tatsächlich die Kalorienaufnahme über den Tag reduziert.

Ähnlich ernüchternd sind die kosmetischen Resultate: Es sicher nicht zu bestreiten, dass eine Austrocknung des Körpers die Hautspannung mindert, andererseits aber ist die Vorstellung, mit vermehrtem Trinken zu einer glatten faltenarmen Haut zu gelangen, klinisch nicht belegbar.

Und wie sieht es in Bezug auf Krankheiten aus? Im Rahmen der Behandlung und Vorbeugung von Harnwegsinfektionen werden Patienten dazu angehalten, mehr zu trinken. Mit der gesteigerten Harnbildung soll die Keimkonzentration im Urin reduziert und die Erreger ausgespült werden. Der Nutzen dieser Empfehlung ist belegt, wenngleich die Ergebnisse der Studien dazu nicht alle einheitlich sind.

Ganz sicher aber hilft eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme bei der Behandlung von Nierensteinen. Um eine weitere Steinbildung zu verhindern, muss der Urin ausreichend verdünnt werden. Patienten mit Nierensteinen wird daher empfohlen so viel zu trinken, dass eine tägliche Urinausscheidung von mindesten zwei Litern gewährleistet ist.

Und beim Sport? Vor allem bei Freizeitsportlern ist die Ansicht verbreitet, dass während der körperlichen Belastung viel getrunken werden muss, um den Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen auszugleichen. Umfangreiche wissenschaftliche Studien zeigten jedoch, dass eine leichte Dehydration während des Sports die körperliche Leistungsfähigkeit gar nicht beeinträchtigt. Keiner muss beim normalen Training im Sportverein, im Fitnessstudio oder beim Yoga ständig Pause machen, um prophylaktisch nach der Flasche zu greifen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Trinken Sie so viel, wie Sie Durst haben. Es gibt keinen Anlass dafür, die im Laufe der Evolution entstandene Körperintelligenz in Bezug auf das Trinken in Frage zu stellen. Wie schon die Generationen vor uns dürfen wir uns auf unser Durstgefühl verlassen. Mit einer Ausnahme: Alte Menschen haben häufig ein reduziertes Durstgefühl. Hier bedarf es daher unter Umständen gezielter Maßnahmen, um eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr aufrechtzuerhalten.

Quelle:
Prof. Dr. med. Ernst-H. Scheuermann: Wie viel Wasser braucht der Mensch zum Leben? Uro-News Ausgabe 6/2016

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